Die Energieagentur des Landkreis Böblingen fungiert für die Zielgruppe der Wohnungseigentümer-gemeinschaften im Rahmen des EU geförderten Projekts „ProRetro“ als One-Stop-Shop. Bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden soll dieser als erste Anlaufstelle dienen und den Sanierungsprozess von der initialen Entscheidung bis zur Umsetzung begleiten. Dabei ist egal, ob ein Gebäude energetisch saniert wird oder ob es sich um einen Heizungstausch handelt.

In der Konzeptionsphase des Projekts zwischen Juni 2020 und September 2021 wurde ein Modell entwickelt, welches Wohnungseigentümergemeinschaften zu den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen berät, über Fördermöglichkeiten informiert und bei Entscheidungen neutral und unabhängig zur Seite steht. Die Dienstleistung startet mit einer Erstberatung und kann dann über einen Vortrag in der Eigentümerversammlung oder eine Beteiligung der Energieagentur im Umsetzungsprozess erweitert werden. Während der Umsetzungsphase, die seit September 2021 läuft, steht die Energieagentur als unabhängiger Ansprechpartner zur Verfügung und begleitet die  in der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossenen Maßnahmen. In diesem Blogpost werden die Erfahrungen aus der bisherigen Umsetzungsphase beleuchtet und gezeigt, wie ein zukünftiges Konzept des One-Stop-Shop im Landkreis Böblingen erfolgreich etabliert werden kann.

Erfahrungen in der Umsetzungsphase

Innerhalb der Umsetzungsphase konnte die Energieagentur Böblingen über das Projekt ProRetro bereits 136 Wohnungseigentümergemeinschaften aus dem Landkreis unterstützen. Dabei handelt es sich zumeist um initiale Erstberatungen oder Vorträge innerhalb der Eigentümerversammlungen, um die Wohnungseigentümergemeinschaft über energetische Sanierungsmöglichkeiten zu informieren. Die Erfahrung zeigt, dass gerade die erste Beratung und die Informationen innerhalb der Eigentümerversammlung über Machbarkeit, Umsetzungsmöglichkeiten, Förderung und gesetzliche Regelungen wichtig für die Entscheidungsfindung in Bezug auf eine Sanierungsmaßnahme innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft sind. Hier wird der Grundstein für die Akzeptanz gelegt, in dem alle Eigentümer*innen den gleichen Wissensstand erlangen. Auf dieser Basis können die Eigentümer*innen fundiert darüber entscheiden, welche Maßnahme sinnvoll umgesetzt werden kann. Aufgrund steigender Energiepreise und unsicheren Bezugsquellen für Energie und Rohstoffe ist vermehrt ein Umdenken hin zu erneuerbaren Energien zu erkennen. Dies spiegelt das Interesse an Wärmepumpen und Pellet-Heizungen innerhalb der Beratungen wider und zeigt, dass sich ein Großteil der Eigentümer*innen Gedanken um die zukünftige Energieversorgung des Gebäudes und dessen energetischen Zustand macht. Generell ist die Nachfrage bei Wohnungseigentümergemeinschaften nach dem Service der Energieagentur auf einem gleichbleibend hohen Niveau.

Kommt es zu einer Entscheidung für die Sanierungsmaßnahme oder den Heizungstausch, bietet die Energieagentur eine weitere Begleitung während des Umsetzungsprozesses an. Aufgrund mitunter langwieriger Entscheidungsprozesse und unterschiedlicher Ansichten kann viel Zeit verstreichen, bis sich eine Wohnungseigentümergemeinschaft für eine energetische Sanierungsmaßnahme oder einen Heizungstausch entscheidet. Das oben stehende Diagramm verdeutlicht den Prozess einer Sanierung und wie die Energieagentur diesen begleitet. Eine Sanierung bringt verschiedene Herausforderungen für die Wohnungseigentümergemeinschaft mit sich. Neben dem Verhältnis zwischen Vermietung und Eigentum, spielen auch persönliche Interessen eine Rolle. Durch unterschiedliche Ansichten und Positionen kann sich der Prozess über mehrere Eigentümerversammlungen strecken. Abhilfe schafft hier zu Teilen das neue Wohnungseigentumsgesetz, das durch die Möglichkeit des einfachen Mehrheitsbeschlusses Sanierungsmaßnahmen beschleunigt. Auch die finanziellen Mittel und Rücklagen einer Wohnungseigentümergemeinschaft entscheiden oft über die Umsetzung einer Maßnahme. In diesem Fall unterstützt die Energieagentur mit Ihrem Netzwerk. Sie zeigt Finanzierungsmöglichkeiten auf und berät zur Inanspruchnahme von Förderkrediten und Zuschüssen. Auch die Suche nach passenden Handwerksunternehmen gestaltet sich mitunter schwierig. Hier macht sich der Fachkräftemangel durch lange Wartezeiten auf Angebote oder Umsetzungen bemerkbar. Egal ob energetische Sanierung oder Heizungstausch, eine grundlegende Aufarbeitung der notwendigen Informationen ist für das Gelingen einer Sanierungsmaßnahme innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft der Schlüssel zu einer zeitnahen und erfolgreichen Umsetzung. Bisherige Rückmeldungen der Wohnungs-eigentümergemeinschaften sind durchweg positiv und motivieren uns, unseren Service stetig zu verbessern und den Sanierungsstau innerhalb der Zielgruppe nachhaltig abzubauen.  

Best-Practice-Beispiel: Wärmepumpe für ein Mehrfamilienhaus

Neben individuellen Interessen, Finanzierungsfragen und langwierigen Prozessen innerhalb der Wohnungs-eigentümergemeinschaften, die den Prozess verlangsamen, gibt es auch Positivbeispiele in denen die Gemeinschaft zielstrebig und zügig voranschreitet. Die Energieagentur begleitet derzeit ein kleineres Mehrfamilienhaus mit 12 Wohneinheiten im Rahmen von ProRetro.

Aktuell geben verschiedene Installationsunternehmen Angebote für Wärmepumpensysteme ab, welche anschließend von Vertretern der Gemeinschaft mit Hilfe der Energieagentur bewertet werden. Die Wärmepumpe wird im Garten des Mehrfamilienhauses so an einem Hang integriert, dass die Schallimmission und Sichtbarkeit für die Wohnungseigentümer so gering wie möglich ausfällt. Der Anschluss zum bestehenden Heizungskeller wird durch die darunter liegende Tiefgarage realisiert.  In einem nächsten Schritt soll über eines der vorgelegten Konzepte abgestimmt werden. „Die Unterstützung der Energieagentur Kreis Böblingen durch das Projekt ProRetro bietet für uns als Eigentümergemeinschaft einen erheblichen Mehrwert, den wir nicht missen möchten. Deren Expertise und individuelle Beratung hilft in hohem Maße bei der Umsetzung unseres zukünftigen Energiekonzeptes.“ sagt ein Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Während des Ausschreibungsprozesses unterstützt die Energieagentur die Wohnungseigentümergemeinschaft bei Rückfragen oder Unklarheiten und erklärt Sachverhalte um entsprechende Angebote einordnen zu können. Zu Beginn hat die Energieagentur eine Erstberatung und einen Vortrag in der Eigentümerversammlung durchgeführt, bei der über die allgemeinen Grundlagen der verschiedenen Optionen referiert wurde. Ziel ist es noch in diesem Jahr eine Entscheidung zu treffen, um im Sommer 2024 mit der Umsetzung des Energiekonzepts für die Wohnungseigentümergemeinschaft zu beginnen. Weiterhin wird die Energieagentur auch bei der Antragstellung der Fördermittel unterstützen und dadurch gewährleisten, dass die maximal mögliche Fördersumme für das Projekt genutzt werden kann.  

Zukünftige Ausrichtung und Angebot der Energieagentur Kreis Böblingen für Wohnungseigentümergemeinschaften

Durch die Beratung und Begleitung von insgesamt knapp 100 Wohnungseigentümergemeinschaften hat sich gezeigt, welcher Bedarf besteht und wie sich die Energieagentur Kreis Böblingen mit Ihrem kostenfreien Angebot darauf einstellen kann. Die Erfahrung belegt, dass der Fokus auf der Erstberatung und die initiale Informationsvermittlung richtig gesetzt ist.

Hier besteht innerhalb vieler Wohnungseigentümergemeinschaften oft Verunsicherung über aktuelle gesetzliche Rahmenbedingungen aber auch Vorbehalte gegenüber neuen Technologien oder deren Funktionsweise. Für den weiteren Verlauf der energetischen Sanierung initiiert die Energieagentur noch in diesem Jahr eine Handwerkerplattform, die in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft entstanden ist. Auf der Website der Energieagentur können sich Wohnungseigentümer*innen, aber auch Privathaushalte, Handwerksunternehmen aus allen Gewerken in der Region anzeigen lassen. Ziel ist es, schnell für die entsprechenden Anforderungen geeignete Unternehmen zu vermitteln ohne dabei eine qualitative Selektierung vorzunehmen. Des Weiteren arbeitet die Energieagentur Kreis Böblingen aktuell an neuen Förderprojekten, die auch in Zukunft eine kostenlose Betreuung von Wohnungseigentümergemeinschaften ermöglichen. Dabei möchte die Energieagentur als erster Ansprechpartner fungieren und für den weiteren Bedarf an entsprechende Stellen wie Handwerker, Planungsbüros oder andere Stationen verweisen. Der Fokus soll dann verstärkt auf der initialen Beratung liegen und Wohnungseigentümergemeinschaften dazu bewegen, eine energetische Sanierungsmaßnahme anzugehen, um von den Vorteilen zu profitieren und das Gebäude für die Zukunft auszurichten. Hier hat sich das bisherige Konzept des One-Stop-Shops der Energieagentur Kreis Böblingen bewährt und als erfolgreich erwiesen.